Oft wird die Verschulung des Bachelors beklagt, aber das ist falsch gesagt. Es ist auch nicht (nur) die Verschulung der universitären Lehre durch das Bachelor-System. Der Skandal, der mehr und mehr offensichtlich wird, ist die Verschulung der Studierenden selbst. Und die gilt es aufzuklären:
Was eigentlich eine Zeit der intensiven Auseinandersetzung mit verschiedenen und fach-internen Themen, mit sich selbst und vor allem mit der kritischen Reflexion beider sein sollte, wird zu einer Zeit oberflächlichen Auswendiglernens. Zugeschüttet mit Texten ungleicher Länge oder unzusammenhängender Thematik, einer Masse an Übungsaufgaben, die kaum zu schaffen ist, egal, ob zur Vorlesung, Seminar oder Übung, ist die Zeit der Reflexion nicht gegeben. Vielleicht noch das Aneignen einer anderen Meinung, nicht aber einer eigenen! Sollte dann noch ein Job dazu kommen, politisches oder gar soziales Engagement, muss das Studium zwangsläufig darunter leiden. So, dass eben in diesen wichtigen Bereichen Abstriche gemacht werden, um die 6 Semester Regelstudienzeit(!) erfolgreich zu beenden und bereit zu stehen: für den Arbeitsmarkt.
Aber was genau ist die Verschulung der Studierenden? Und was genau hat dies mit uns zu tun?
Die Verschulung zeichnet sich aus durch den fehlenden Protest und der Bereitschaft auch unter den niedrigsten Umständen noch zu studieren. Gemeint ist die allgemeine Bereitschaft zum Frontalunterricht. Sie zeigt sich auch, und an dieser Stelle recht gefährlich, in der Anpassung und Konformität: Diejenigen, die im Seminar den Diskurs suchen, werden immer öfter als störend wahrgenommen. Für Kritik, vor allem nicht-instrumentalisierte, fehlt es inzwischen auch in der studentischen Mehrheit an Nährböden zur fruchtbaren Aufnahme. (Der Frage, ob es jemals wirklich anders war, wird hier nicht nachgegangen.) Reden vom Protest werden als sinnlos und illusionär abgetan. Zudem wirkt es sich auch auf die wissenschaftliche Arbeit aus, wenn unangenehme Themen vermieden werden, weil jedes Schriftstück in die Endnote eingerechnet wird und so der Platz zum Ausprobieren nicht gegeben ist; weder zum Ausprobieren noch zum Scheitern. Auch dieser Moment der Selbstbildung wird im Bachelor-System unterdrückt.
Doch ist es nicht damit getan, die Studierenden selbst anzugreifen, die nicht zur Befreiung aus dem eigenen Elend bereit sind und herauszustellen, dass ihre Fähigkeit zur Kritik im besten Fall noch rein instrumentell aufs gegebene Thema begrenzt bleibt. Diese Schrift zielt auf die Umstände. Denn wahre Kritik erfasst ihren Ausgangspunkt mit: die Immanenz der Studierenden im nun gewordenen: Lehrbetrieb.
Selbstreflexives, selbstbestimmtes Bewusstsein, eine junge "community of science", läuft Gefahr auf der Strecke zu bleiben, wenn das Hochschulsystem weiterhin in die Form des Ausbildungsbetriebs gepresst ist und Wirtschaft und "Anhängsel" Politik dabei nicht nur die Rahmenbedingungen vorgeben, sondern die ganze Systematik der scheinbar wissenschaftlichen Lehre bestimmen. Der aufgeklärte Mensch wird sich weder in schlecht ausgestatteten deutschen Kinderkrippen, noch in unterbesetzen Schulen und ökonomisierten Hochschulen bilden, wenn Bildung mit stumpfen Lernen gleich gesetzt wird und der intrinsische Wert der Bildung, als ein unveräußerlicher Wert an sich selbst, dabei vergessen wird.
Denn vom wahren Wissen, selbst jenseits jeder Erkenntnisphilosophie, lässt sich nicht reden. Von einer Solidarität unter Studierenden schon gar nicht: Diejenigen, die in obskuren Zuteilungen des „Wahlbereichs “nicht bekommen, was sie gerne möchten, werden höchstens noch bemitleidet, zuallererst wird sich gefreut, dass man selbst nicht zu jener Gruppe gehört, die doch meinten sich aussuchen zu können, was sie jenseits ihres Hauptfaches studieren können. (zur näheren Erklärung fragt einen der mindestens 800 sogenannten „Härtefällen“ an der Universität Leipzig).
Herzlichen Glückwunsch zum (wiederentdeckten?) egoistischen, verkürzten Ich! Herzlichen Glückwunsch zur perfekten Verkörperung des kapitalistischen Systems. Die Internalisierung der Studierenden scheint vollendet! So erklärt sich auch der fehlende Protest, der sich durch bekannt-werden negativ auf die zukünftige Arbeitssuche auswirken könnte, zudem gar wertvolle Zeit „des Lernens“ raubt.
Klar, die Ellenbogengesellschaft ist in der Universität angekommen! Dennoch sollten nicht jene Gegenströmungen vergessen werden, die in kleiner Zahl versuchen, dagegen zu denken und zu steuern. Denn manch eine/r hilft den Studierenden, berät und versucht sie über die eigenen Möglichkeiten ihrer zum Teil katastropalen Lage aufzuklären, sie zum Handeln zu überzeugen. Doch ohne die Unterstützung und Mithilfe der breiten Masse lässt sich nichts bewegen, lässt sich nichts verbessern, lässt sich nichts erreichen! Studierende: BEWEGT EUCH!
Wie infantile Wesen nehmt ihr 300 (und weit mehr) Menschen Vorlesungen, in Frontalunterricht ausgeartete Seminare und Übungen, Stellenstreichungen unter Lehrenden, Anwesenheitslisten oder/und schlechte Lehre aufgrund der totalen Überlastung der Hochschullehrenden hin und rührt euch nicht.
Aber das ist zu Ändern!
1 Kommentar:
Ein toller und vor allem sehr treffender Text, der so ziemlich genau das beschreibt, was mir im ersten Semester hier in Leipzig bzw. am Studium an sich aufgefallen ist!
Kommentar veröffentlichen